Familienforschung / Biographische Skizze

Der Nachlass des Kammerrates Johann Andreas Teuthorn (1718-1788) oder
Ein Ackerbürger aus Frankenhausen

Der folgende Artikel behandelt einen Archivfund aus dem Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt. Es handelt sich um das Haus- und Grundstücksvermögen sowie Haushaltsgegenstände des verstorbenen Cammerraths [i]   J. A. Teuthorn, das in Verkaufs- und Versteigerungsankündigungen im Frankenhäuser Intelligenzblatt aufgelistet ist. Daraus ergibt sich 1) ein recht anschaulicher Einblick in die materiellen Lebensverhältnisse eines Familienmitgliedes gegen Ende des 18. Jahrhunderts, 2) aus stadtgeschichtlicher Sicht ein konkretes Beispiel für einen der sogenannten Ackerbürger Frankenhausens, und 3) wird an diesem Beispiel deutlich, wie für die Familiengeschichte wichtige Erkenntnisse aus Archivalien gezogen werden können, die in uns allen zugänglichen Archiven aufbewahrt werden.

Ein Todesdatum als Schlüssel zum Archiv
Der Fund
Die Advertissments
Erste Schlussfolgerungen


Ein Todesdatum als Schlüssel zum Archiv

Wieso beschäftige ich mich aber ausgerechnet mit dem Cammerrath Teuthorn. Auf keinen Fall ist seine gesellschaftliche Stellung der Grund. Um es ganz klarzustellen: nicht Titel und auch nicht die Qualität des Berufes bewegen mich dazu. Mein Interesse gilt eigentlich eher den ganz alltäglichen Menschen, meinetwegen den sogenannten kleinen Leuten. Ein Problem ist allerdings, dass man Quellen finden muss, um über ihre Lebensverhältnisse etwas herauszufinden und dass solche Quellen eben eher für herausgehobene Personen zu finden sind.

Als ich im Sommer 2002 im Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt an einem Beispiel prüfen wollte, welchen Quellenwert das dort meist auf Mikrofilm vorhandene Frankenhäuser Intelligenzblatt für mich hätte, hatte ich die Idee, mit dem Todesdatum einer möglichst herausgestellten Persönlichkeit der Familie nach einem Nachruf zu suchen und damit Hinweise auf seinen Lebenslauf zu erhalten. So kam ich auf den Cammerrath Johann Andreas Teuthorn, der am 7. Juli 1788 knapp 70jährig ohne Nachkommen verstorben war. Der heute nicht mehr geläufige Berufs- oder Karriere-Begriff bezeichnet einen höheren Beamten in einer Landesfinanzbehörde (Kammer = Finanzen). Er stand damit in Diensten des Fürsten in der sogenannten Unterherrschaft Frankenhausen des Fürstentums Schwarzburg Rudolstadt. Er übte also keine städtische Funktion aus. Eine solche wäre z.B. der Ratskämmerer gewesen. Zur Vervollständigung wäre noch nachzutragen, dass seine Frau bereits ein Jahr zuvor verstorben war.



Der Fund

Den erhofften Nachruf fand ich nicht. Allerdings wurde mein Blättern in dem Wochenblatt viel reichlicher belohnt. In den Ausgaben zwischen dem 7. Juli und dem 22. September 1788 fand ich nämlich dort nacheinander zehn öffentliche Ankündigungen (Advertissments) zu Verkauf bzw. Versteigerung aller seiner hinterlassenen Immobilien und Mobilien. Daraus ergibt sich ein ausgesprochen anschauliches Bild von Besitz, Größe des geführten Hauses, Lebensart usw. Bevor ich aber zur Aufzählung seines Besitzes und Hausrats komme, scheint es nützlich, seine Stellung in der Familie zu benennen und noch einen weiteren interessanten Wissenspunkt zu erwähnen. Letzteres also zuerst: Aus einem amtlichen Verzeichnis von 1750 [ii] geht hervor, dass Johann Andreas Teuthorn das Haus Anger 1 besaß und bewohnte. An seinem Platz steht heute die Grundschule von Bad Frankenhausen, und jeder kann sich leicht von seiner durchaus exponierten Lage an diesem größten Platz Frankenhausens überzeugen. Zum ersten Punkt, Johann Andreas war der Vetter des Seifensieders, Brau- und Pfannherrn Philipp Andreas Teuthorn, der den Frankenhauser Familienstamm dann fortführte.



Die Advertissments

Und nun zu den Ankündigungen aus dem „Wöchentliches Frankenhäusisches Intelligenz-Blatt“.

XXVII. Stück, den 7 Julius. 1788.
ADVERTISSMENT
Nachdem auf den 17 hujus Nachmittags um 2 Uhr in dem Teuthornischen Hause allhier, des verstorbenen Herrn Cammerrath Teuthorns hinterlassenen Pferde, Rinds- und Schweine-Vieh an den Meistbiethenden gegen baar, oder nach Befinden, in gewisser Frist, zu leistende Bezahlung verkaufet werden sollen; Frankenhausen, den 7 Jul. 1788.
Fürstl. Schwarzburg. Regierung allhier.

XXVIII. Stück, den 14 Julius. 1788.
Nachdem des verstorbenen Herrn Cammerrath Teuthorns, und dessen Ehegenossin, Frauen Dorotheen Elisabethen geb. Hartmannin allhier hinterlassenen Länderey mit darauf stehenden Früchten, wie auch die Früchte auf dem von ihm im Pachte gehabten Lande, bey Fürstl. Regierung allhier auf den Fünf und Zwanzigsten hujus Vormittags um 9 Uhr an den Meistbiethenden [...]; Als wird solches nebst dem, dass das Acker-Verzeichnis an der schwarzen Tafel auf dem Regierungs-Saale angesehen werden kann, hierdurch öffentlich bekannt gemacht. Sign. Frankenhausen den 12 Jul. 1788. Fürstl. Schwarzburg. Regierung allhier.

XXIV. Stück, den 21 Julius. 1788.
[...][den 29.7.]verschiedene Viktualien und Consumtibilen an Butter, Käsen, Eyern, Fett, Pöckelfleisch, Beeren, Fadennaudeln, Grieß, Graupen, Erbsen, Linsen, Bohnen, Wacholdern, Gewelkten, Pech, Schlagkuchen, Korn- und andere Mehle, Salz, Selterwasser, und Geräuchertem, ingleichen ein vierspänniger Ackerwagen, 2 Pflüge, eine Egge, eine Walze, eine Schleife, und verschiedenes Geschirre, nicht weniger Heu, Stroh, Mist, Spreu, Heckerling etc.
[den 5.8.] mancherley Gefäße, und Polsterwerk, auch einige Gesinde-Bette [...] die Sachen selbst auch Tags vorher in gedachtem Teuthornischen Hause in Augenschein genommen werden können [...]

XXX. Stück, den 28 Julius. 1788.
ADVERTISSMENT
Nachdem bey hiesiger Fürstl. Regierung auf den Zweyten August a.c. Vormittags um 10 Uhr die Teuthornischen Scheuren vor dem Erfurter Thore und in der Hundegasse [...] .

XXXI. Stück, den 4 August.. 1788.
[...] hinterlassenen Gärten, Wiesen und Kohlflecke[...]

XXXII. Stück, den 11 August.. 1788.
[...] die noch übrigen Teuthornischen Grundstücke, und zwar das Wohnhauß und das Söldenwerk an diejenigen, so annehmliche Licita darauf thun, das Schütthauß, Söldengebäude, Fischkasten und Holzflecke aber an den Meistbiethenden [...]

XXXIII. Stück, den 18 August.. 1788.
[...] hinterlassenen Schaaf-Vieh, wovon 37 Stück junge Schaafe bey dem Amtesverwalter Rüdiger zu Ichstedt und 19 Stück alte Schaafe nebst 25 Lämmern in hiesigen herrschaftl. Vorwerke sind, und an diesen Orten angesehen werden können [...]
allerley Haußrath, wobey auch einige Commoden, Spiegel, und eine Repetir-Wand-Uhr befindlich[...]
eine viersitzige, und eine Halb-Kutsche, Kutschgeschirre, Schlittenzeug, ein wohlconditioniertes Billard nebst Zubehör, und noch mehrerer Haußrath von verschiedener Gattung, wobey ebenfalls einige Commoden und Spiegel, auch eine Dreh-Rolle, an den Meistbiethenden auctionis lege gegen baare Bezahlung überlassen werden soll; [...]

XXXIV. Stück, den 25 August.. 1788.
[...] allerley männliche Kleidungs-Stück, ingleichen verschiedenes Porcellain und Gläserwerk, auch sonstiger Haußrath [...]

XXXV. Stück, den 1 September. 1788.
[...] auch verschiedene Federbette[...]

XXXVIII. Stück, den 22 September. 1788.
[...] verschiedenes Silberwerk an Löffeln, Messern, Salz-Fäßern, Zuckerschaale usw. wobey auch ein Degen und Couteau de chasse, ingleichen eine silberne Sack-Uhr, nicht weniger ein ansehnlicher Vorrath von Wäsche allerley Art und einige unter die Kleidungsstücke gehörige Sachen [...]
verschiedenes Kupfer- Meßing- Zinn- Eisen- und Blechwerk wie auch andere gute Meubles an Schränken, Tischen, Stühlen,  Wäsch-Coffre, Eck-Tresore, Canapee, ingleichen einiges Öl und Bücher [...]


Erste Schlussfolgerungen

Ich bin mir noch nicht sicher, welche endgültigen Schlussfolgerungen ich aus den obigen Informationen ziehen kann. Zwei Dinge aber fallen sofort auf, nämlich der umfangreiche landwirtschaftliche Besitz mit der gesamten Ausrüstung für Vieh- und Ackerbau sowie der Besitz einer Sölde, also einer Salzproduktion.

Was die Landwirtschaft betrifft, entspricht er damit dem Typ des Ackerbürgers, der obwohl er in der Stadt lebt, deren Wirtschaftsleben ja im Gegensatz zum Dorf vorwiegend durch Handel und Gewerbe geprägt ist, hier in großem Umfang Landwirtschaft betreibt. Frankenhausen wird ja in der Literatur auch als Ackerbürgerstadt bezeichnet. Allerdings handelt es sich bei diesem Begriff um eine idealtypische Definition. In der Praxis kommen wohl die Städtetypen in reiner Form kaum vor, sondern überlagern einander. In Frankenhausen würden sich also wohl die Typen der Bergbau- und Salzstadt, der Residenz- (zumindest zeitweilig) und Verwaltungsmittelpunkt-Stadt mit dem Typus der erwähnten Ackerbürgerstadt vermischen. [iii] Jedenfalls würde Johann Andreas Teuthorn nach den Advertissments im Frankenhäuser Intelligenz-Blatt ein gutes Beispiel für diesen Ackerbürger abgeben. Er  verfügte damit über einen nahezu autarken hauswirtschaftlichen Bereich. - Was die Salzproduktion anlangt, muss er wenigstens eine ganze Sölde besessen haben, und er gehörte damit zur Pfännerschaft Frankenhausens. 

Landwirtschaft und Sölde konnten nicht ohne entsprechendes Personal betrieben werden. So muss man davon ausgehen, dass davon wenigstens einige auch im Haushalt [iv] des J. A. Teuthorn lebten. Nicht nur die Gesindebetten sind so zu erklären, sondern auch die reichhaltigen Vorräte im Hause des Singles Teuthorn, der also ganz und gar keinen Single-Haushalt betrieb.

Welche Einrichtungsgegenstände mit der Lebensführung als Verwaltungsbeamter des fürstlichen Regierungsapparates in Zusammenhang stehen, kann man natürlich nicht ausmachen. Aber man darf wohl vermuten, dass es einen solchen Zusammenhang gab.

Wenn wir aufgrund der „Haushaltsliste“ nun also eine Vorstellung vom Haushalt des Johann Andreas gewonnen haben, haben wir im Prinzip auch eine Idee vom Haushalt seines Vetters Philipp Andreas. Beide Haushalte werden sich allerdings wohl in ihrem Reichtum in der Weise unterschieden haben, wie es auch heute zwischen kinderlosen Ehepaaren und solchen mit Kindern der Fall ist. Denn Philipp Andreas zog 2 Söhne und 2 Töchter groß.


© Peter Teuthorn, 26. August 2002

Im November habe ich mich erstmals mit dem Behördenaufbau im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt und der Unterherrschaft Frankenhausen beschäftigt. Die Finanzen des Fürstentums wurden durch die Kammer zentral von Rudolstadt aus verwaltet, aber es gab eine im Auftrag der Kammer arbeitende Dependance in Frankenhausen, die sogenannte Kammer-Expedition, die sich im wesentlichen um Güter unfd Forste in der Unterherrschaft kümmmerte. Es liegt nahe und scheint mir wahrscheinlich, dass Johann Andreas für diese Behörde tätig war. Damit waren dann sicherlich auch umfangreiche "Dienstreisen" verbunden. - Damit wird dieser Artikel zu gegebener Zeit ergänzt und neu gefasst werden müsssen.

Peter Teuthorn, 9. Januar 2003

  Inzwischen erhielt ich dieses Siegel. das aus einer Akte von 1749 oder 1749 stammt und dessen Finder Johann Andreas als Notar bezeichnet.

PT, 27. Febr. 2003


[i]   Schreibweise in den Dokumenten für Kammerrat.

[ii] ThStaR Sig Z150 und Z126 = Auswertung des Lagerbuches der Stadt Frankenhausen von 1750 ausgewertet durch Freiherr von Ketelhodt.

[iii] Interessante und wichtige Darlegungen und Definitionen zum Thema „Ackerbürgertum und Stadtwirtschaft“ brachte das 3. Internationale Heilbronner Symposion vom 29. März bis 1. April 2001. AHF-Information Nr. 31 vom 10.5.2001, veröffentlicht im Internet unter http://www.ahf-muenchen.de/Tagungsberichte, Stand 24.8.2002.

[iv] Zum Haushalt siehe auch Begriff des „ganzen Hauses“ bei Heinz Schilling: Die Stadt in der Frühen Neuzeit, München 1993, S. 18 u. 19.

   
             
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