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Oktober 2003 wurde das 300jährigen Kirchenjubiläum der Unterkirche begangen.
Schall hatte zu der gegen Ende des 19. Jahrhunderts dringend notwendigen
Sanierung der Kirche einen ganz erheblichen Beitrag gleistet. Sein Engagement
für die Kirche würdigte Ingrid Mansel in dem folgenden Vortrag.
Wilhelm Schall – ein
engagierter Christ
(geb. am 20.9.1828,
gestorben am 24.10.1916 in Frankenhausen)
Als Frankenhäuser Kind ist mir der Name Wilhelm Schall so vertraut,
dass ich meine, diesen bemerkens- und bewundernswerten Mann persönlich
gekannt zu haben, begegne ich ihm doch in seinen Taten und Werken noch
heute überall in meiner Heimatstadt. Wohltäter unserer Stadt, so
hörte ich bereits in meinen Mädchentagen meinen Vater sprechen, und ich
glaubte es gern. Die Erzählungen meines Vaters stimmten so gar nicht überein
mit dem, was mir seinerzeit meine Lehrer vermitteln wollten oder besser
auch sollten. Der Großkaufmann und Bankier Schall passte einfach nicht
in das Klischee eines kapitalistischen Ausbeuters im Sinne der propagierten
sozialistischen Weltanschauung. Und eine Ahnung davon muss auch unsere
Stadtverwaltung in 40 Jahren DDR davon abgehalten haben, die zwei grazilen
weißen Marmorkreuze der Schallschen Begräbnisstätte im Botanischen Garten
anzutasten. Man anerkannte seine ihm verliehene wohlverdiente Ehrenbürgerschaft.
Wilhelm Schall begriff sein Eigentum, zu dem auch umfangreiche Ländereien
gehörten, nicht als persönliches Vorrecht, vielmehr hielt er sich, und
hier zitiere ich gern aus der Erinnerungsschrift des Wilhelmstiftes, „für
einen Haushalter, der für die kurze Zeitspanne seines Lebens über die
reichen Güter dieses Lebens gesetzt war, und wusste sich verpflichtet,
zur Ehre Gottes, zur Erbauung seines Reiches, zu Nutz’ seiner Mitmenschen
zu wirken. Sein Wohltuen war sein äußeres Werk, nicht ein Dienst vor Menschenaugen,
sondern all’ sein Tun war aus dem Glauben heraus geboren. Er war seines
Gottes dankbares Kind“.
In großer Bescheidenheit und Güte begehrte er nicht erhoben zu werden
über seine Mitbürger und lehnte daher jede Ehrung, jede Standeserhöhung
und Ordensauszeichnung demütig ab. Er wollte einfach nichts anderes sein
als Wilhelm Schall. Dennoch die Anerkennung durch Fürst und Fürstin
ebenso wie die Liebe der dankbaren Frankenhäuser werden ihm, dem wahrherzigen
und gebildeten Menschen, wohlgetan haben. Ein weiteres Aufhebens allerdings
um seine Person wünschte er nicht, nicht einmal am Grabe. Mich hat beim
Blättern in der „Frankenhäuser Zeitung“ die kleine unscheinbare Todesanzeige,
welche seine Angehörigen ganz in seinem Sinne inserierten, beeindruckt.
Dagegen brachten die großseitigen Anzeigen der Stadtverwaltung, der Vereine
und Stiftungen sicher die ihm entgegengebrachten herzlichen Gefühle und
die tiefe Trauer vieler Menschen zum Ausdruck.
Besonders bewundernswert an ihm war seine Gabe, sich mit seinen weltmännischen
Umfangsformen ebenso im Kreise von Fürsten, Diplomaten, Künstlern und
Kaufherren, von Gelehrten und Predigern zu bewegen wie auch in seiner
Herzensgüte liebenswürdig und herzgewinnend mit den einfachen Menschen
aus dem Volke zu reden.
Mit scharfem Verstand und vorausschauendem Blick, dem sich ein ausgeprägtes
Pflichtbewusstsein zugesellte, erkannte er immer schnell die Probleme,
die seiner helfenden Hand bedurften. Und das waren derer so viele, dass
ich hier nur einige davon erwähnen möchte, wie das Kinderheim „Wilhelmstift“,
die Kinderheilanstalt, das Marienstift, das Krankenhaus, das Vereinshaus,
und in besonderem Maße die drei Kirchen unserer Stadt. Segensreich bis
in die heutige Zeit erwies sich seine Wilhelm Schallsche Stiftung
für die Kirchen und mildtätigen Anstalten in Frankenhausen vom Jahre 1909,
darunter auch viele seiner großen Ländereien, die sich als inflationssichere
Anlagen in den darauffolgenden wirren Zeitläuften erwiesen.
Aber schon bevor diese Stiftungen kontinuierlich wirksam wurden, zeigte
sich in den Jahren 1884 - 1888 Wilhelm Schall als großzügiger Mäzen für
die Unterkirche. Wer sich ein wenig mit der Erbauungsgeschichte unserer
300jährigen Jubilarin auskennt, weiß, unter welch großen materiellen Zwängen
dieser Bau entstanden ist: nach Jahren großer Not in der Stadt Frankenhausen,
Jahren, gezeichnet durch einen gewaltigen Großbrand und entvölkert durch
eine schlimme Pestepidemie. Man baute also unter sparsamstem Materialeinsatz
und verzichtete auf jeden zusätzlichen Komfort. Verständlich, dass 180
Jahre später sich die Kirchgemeinde nach Erneuerung und Verbesserung des
Kircheninneren sehnte; und wiederum hatte sie auch jetzt nicht die Mittel,
um dies aus eigener Kraft zu finanzieren. Man wird der Persönlichkeit
Wilhelm Schalls nicht gerecht, wenn man nur die ungeheuren Spendensummen
auflistet, die seinerseits in diese Restaurierung flossen, nämlich mehr
als 13.000,- RM für die Erneuerung der Orgel, 5.000,- RM für eine Heizungsanlage
und weit mehr als 15.000,- RM für die bauliche Wiederherstellung. Hinter
allem stand der sozial denkende und handelnde Mensch und Christ Wilhelm
Schall, aber nicht zuletzt auch der sachkundige und für das Detail interessierte
Berater und Planer. Es lag ihm sehr am Herzen, Frankenhäuser Firmen mit
möglichst vielen der Aufgaben zu betrauen, was man aus den Handwerkerlisten
herauslesen kann. Besonders gern aber erfüllte er seinem Freunde, dem
ortsansässigen Orgelbauer, Julius Strobel, den Wunsch, die erneuerungswürdige,
ebenfalls 180 Jahre alte Nordt-Orgel, in ein Werk umzugestalten, ich
zitiere: „das Frankenhausen besondere Ehre machen sollte.“ Leider
konnte der Meister sein Werk nicht mehr selbst vollenden, dies blieb seinen
Söhnen vorbehalten. Im April 1886 war das große Werk gelungen, und das
völlig umgestaltete Instrument erklang zur Neueinweihung des restaurierten
Gotteshauses.
Nach der Beschreibung von Pastor Schönau kann ich mir vorstellen, dass
die Gemeindeglieder, welche in der Umbauphase zeitweilig in der Oberkirche
den Gottesdienst besuchten, ihre Kirche nicht wieder erkannten. Am
17. Oktober 1886 konnte eine zahlreich versammelte Gemeinde in einer
durch neuen Farbanstrich strahlenden Kirche alle durchgeführten Maßnahmen
bewundern. Die Farbgebung hielt sich in den Tönen hell- bis dunkelgrün
mit Verzierungen innerhalb der Bögen und im Chorraum. Schon der Gang zur
Kirche war durch einen mit Sandsteinplatten ausgelegten Weg bequemer geworden.
Die alten Kirchentüren waren durch würdigere ersetzt und durch innere
Türflügel als Kälteschutz komplettiert worden, wodurch der innere Raum
gegen den Rundgang an der Wand abgeschlossen und ein nützlicher kleiner
Vorraum geschaffen war. Der vollständig isolierte Fußboden, in den Gängen
mit Steinplatten, in den Gestühlen mit Dielen ausgelegt, sorgte jetzt
für ein gesünderes Raumklima. Im Altarraum wurde der Boden mit Mosaik
belegt. Auffälligste Neuerung waren die 4 farbigen Glasfenster in gotischer
Umrahmung, welche die früheren einfachen Fenster der Apsis ersetzten und
die vier Evangelisten Mathäus, Markus, Lukas und Johannes darstellen.
Diese mussten in jüngerer Zeit repariert werden, da Unvernunft von außen
zerstörerisch wirkte.
Neue Kronleuchter und ein mit Lila-Plüsch neu bekleideter Altar zogen
die Gemeinde in den Bann einer besonders feierlichen Atmosphäre. Die schon
im Jahre 1884 auf Kosten von Wilhelm Schall eingebaute Heizung wurde dankbar
als sehr wohltuend empfunden.
Und eine gewisse Vorstellung hiervon weht auch noch in unsere Zeit herüber,
wenn auch mit einer weiteren Renovierung im Jahre 1934 einige Änderungen,
die dem Zeitgeschmack geschuldet waren, vorgenommen wurden, u. a. Entfernung
der Kronleuchter und Änderung der Deckenbemalung.
Sehen wir uns heute in dem wunderschönen schlicht-barocken Kirchenraum
um, dann wird leider zu offensichtlich, die Dreihundertjährige braucht
dringend eine dritte Erneuerung. Und unwillkürlich entschlüpft einem der
Seufzer: Ach, hätten wir doch wieder einen Wilhelm Schall!
© Ingrid Mansel, Oktober 2003
Vortrag, gehalten in der Unterkirche Bad Frankenhausen – 300 Jahrfeier
der Kirche
Literatur:
/1/ Festschrift zum 100 jährigen Bestehen des Kinder- und Jugendheimes
„Wilhelmstift“, Bad Frankenhausen, Herausgeber: Evangelische Kinder- und
Jugendhilfe, Geschäftstelle Wilhelmstift
/2/ Geschichte der Unterkirche zu Frankenhausen, Zur Erinnerung an den
17. Oktober 1886, Eduard Schönau, Druck und Verlag Emil Krebs Frankenhausen
/3/ Ein Beitrag zur Geschichte der Unterkirche in Bad Frankenhausen,
bearbeitet von Max Krebs in Bad Frankenhausen auf Grund von der in seinem
Besitz befindlichen Sammlung „Meine Vaterstadt in Wort und Bild“; Auszüge
aus der „Frankenhäuser Zeitung“, 30. September 1934
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