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Familienforschung / Frankenhäuser Familien
Die Familie HEYDENREICH / Eine auswärtige Familie gelangt ins Stadtregiment
In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts kamen zwei Brüder Heydenreich
nach Frankenhausen. Sie reihten sich von Anfang an in die ratsfähigen
Familien der Stadt ein und stellten in einem dreiviertel Jahrhundert zwei
Bürgermeister. Wie war das möglich? Eine Antwort darauf muss wohl
sein: wegen des Rufes und Einflusses der Familie, ihrer Wohlhabenheit
aber auch Bildung und eigener Befähigung. Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts
verabschiedeten sich die Heydenreichs wieder aus der Stadt.
Die beiden späteren Bürgermeister in Frankenhausen sind
Sohn und Enkel des
Melchior Heydenreich, Kursächsischer Amtmann und Amtsschösser in Weißensee
(1560-1631).
Dieser war ein bestens ausgebildeter, in jeder Beziehung kraftvoller Mann.
Was die Familie betrifft, schenkten ihm seine drei Ehefrauen insgesamt
22 Kinder. Bei der Geburt des ältesten Kindes (*1587) war er 27 Jahre,
bei der Geburt des jüngsten Kindes (*1630) 70 Jahre alt. Seine letzten
beiden Ehefrauen waren jeweils deutlich jünger als er. Seine Flucht aus
Weißensee nach Erfurt vor den Truppen der katholischen Liga unter
Tilly, "wegen Krankheit und großer Kriegsgefahr", überlebte
er nicht. Anfang September 1631 wurde er in der Predigerkirche in Erfurt
begraben.
Seine Töchter verheiratete er mit Männern in Spitzenämtern der landesherrschaftlichen
und der städtischen Verwaltung. Es finden sich ein Fürstl. Sächs. Lehns-
und Gerichtssekretär zu Weimar, ein Bischöfl. Magdeburgischer Geleitsmann
zu Calbe, ein Gräfl. Stollbergischer Rat, ein Kaiserl. Postmeister zu
Erfurt, ein Oberbauherr zu Erfurt, aber auch ein Freisasse zu Greussen.
Seinen Söhnen ebnete er den Weg in so einflussreiche Funktionen wie Ratsverwandter
und Schlossvierherr in Erfurt, Kursächs. Amtsschreiber zu Langensalza,
Kursächs. Steuereinehmer und Ratsoberkämmerer sowie erster Postmeister
zu Langensalza, Fürstl. Sächs. Rat und Kammervorsitzender in Gotha und
- zurück zum Ausgangspunkt - Bürgermeister zu Frankenhausen.
Mit Wohlstand und Macht war Melchior übrigens bereits durch sein Elternhaus
vertraut gewesen. Denn sein Vater hatte als als Lehnssekretär in der Kanzlei
des Dresdner Hofes gedient und seine Mutter war die Tochter des Oberforstmeisters
am selben Hof.
Zur Verdeutlichung der Familienzusammenhänge sind diesen Ausführungen
eine Nachfahrenliste des Wolfgang / Melchior und zwei Ahnenlisten
zu Nachfahren beigefügt, die auch hinzukommende Muttterlinien
visualisieren.
Nachfahren des Wolfgang
Heydenreich (pdf)
Ahnentafel eines Kindes des Bürgermeisters David Heydenreich
mit Visualisierung der Mutterlinien
Siebold und Fischer(pdf)
Ahnentafel Johann Samuel Heydenreichs, Pastor zu Bendeleben, enthält die
Mutterlinien Landgraf, Dezschel,
Seuberlich, Bamberg und Offeney(pdf)
Heydenreichs in Weißensee
Die Familie des Melchior Heydenreich wohnte auf der Runneburg in Weißensee.
Diese war Eigentum der sächsischen Kurfürsten und Amtssitz des jeweiligen
Amtsschössers. Neben dieser ansehnlichen Wohnstätte gehörte dem Amtsschösser
auch noch ein großes Gut in der Nähe der Nicolaikirche in Weißensee. Dieses
als „Siedelhof“ bekannte Anwesen diente vor allem der Versorgung der Familie
mit Lebensmitteln und natürlich der Sicherstellung eines angemessenen
Einkommens.
Melchior
war sehr musikalisch, und übertrug diese Neigung auch auf seine Kinder.
Alle Söhne und die Tochter Catharina ließ er musikalisch unterrichten
und liebte es, zusammen mit ihnen bis zu 8stimmig zu singen. Nachdem die
erste Frau, Elisabeth Drost an Schwindsucht gestorben war, übernahm die
zweite Frau, Maria Ludolph, die Erziehung der Kinder. Die Bildung
aller Jungen erfolgte im etwa 12 km östlich von Weißensee gelegenen Roßleben,
wo in einem ehemaligen Kloster nach der Reformation eine staatliche Internatsschule
eingerichtet worden war. Das Internatsgymnasium gibt es noch heute.
Durch die doppelte Verschwägerung mit der aus Erfurt stammenden einflußreichen
Ratsfamilie Ludolph (der älteste Sohn August heiratete im gleichen Jahr
die Schwester seiner Stiefmutter) wurden die Verbindungen in diese Stadt
gelegt, in die die ganze Heydenreich-Familie 1631 nach Melchiors tragischem
Tod, - infolge der Wirren des 30jährigen Krieges - übersiedelte.
Wolfgang Heydenreich (1607-1674), Bürger zu Frankenhausen,
war das 12. Kind aus der ersten Ehe des Melchior. Er hinterließ aus seiner
ersten Ehe drei Kinder, von denen bisher eine Tochter namentlich noch
nicht bekannt ist. Die zweite Tochter, Judith Elisabeth, heiratete den
Frankenhausener Bürger Ernst Gauder und starb am 23.04.1669.
Der Sohn, Caspar Friedrich, (* 23.09.1635, + 28.08.1715 ) begann eine
militärische Laufbahn. Zunächst zog es ihn als Kapitän unter dem französischen
König Ludwig XIV in die weite Welt und später wandte er sich als kurmainzischer
Oberstleutnant zurück nach Erfurt.
Dessen Kinder aus erster und zweiter Ehe verstarben alle im Kindesalter.
Aus dritter Ehe mit Martha Sophie, Tochter des Erfurter Oberratsmeisters
Rudolph Heinrich von Ziegler, gingen zwei Kinder hervor, nämlich Rudolph
Friedrich Heydenreich (*21.07.1685), der 1709 als kurfürstlich brandenburgischer
Fähnrich unter König Friedrich I von Preußen in Berlin unverheiratet starb,
und Martha Christina Heydenreich, vermählt mit Friedrich Heinrich von
Gerstenberg in Erfurt. Auch sie blieb ohne Kinder.
David Heydenreich (1600 - 1674), Bürgermeister der Stadt Frankenhausen
Er war das 9.
Kind des Amtsschössers Melchior. Am 7.2.1630 ehelichte er Maria Magdalena
Siebold (1614-1642), die Tochter des Frankenhausener Bürgers Friedrich
Siebold. Er führte Sie noch in seiner Heimat Weißensee vor den Traualtar.
Der Großvater seiner Frau war der Bürgermeister Heinrich Siebold (1555-1626).
Ihre Mutter Maria Magdalena Fischer,war die Tochter des Stadtvogts Elias
Fischer. Somit heiratete der spätere Bürgermeister David Heydenreich in
die politische Elite der Stadt hinein. Maria Magdalena schenkte ihm 7
Kinder und verstarb 1642 im Kindbett gleichzeitig mit dem nicht überlebenden
8. Kind, einem auf den Namen des Großvaters Melchior getauften Sohn.
Zur zweiten Frau wählte er am 3.11.1644 Maria Landgraf, Witwe des Bürgermeisters
Otto Löhner. Diese Heirat hat seine Stellung unter den „Ratsverwandten“
der Stadt sicher weiter gefestigt und damit die spätere Wahl zum Bürgermeister
ermöglicht. In das Bürgerrecht wird er sich spätestens irgendwann vor
seiner zweiten Heirat eingekauft haben.
Im Jahr 1651 übte er zum ersten Mal in Frankenhausen das Amt des Bürgermeisters
aus und war anschließend - nach dem üblichen Procedere alle 3 Jahre „regierender“
Bürgermeister, zum letzten Mal 1673, dem Jahr vor seinem Tode. Er arbeitete
also deutlich über das heutige Ruhestandsalter hinaus, was heute eher
selten ist, aber wohl künftig wieder häufiger vorkommen wird.
David Heydenreich versah das Bürgermeisteramt fast
während der gesamten Zeit seiner Amtsperioden zusammen mit dem etwa gleichaltrigen
Bürgermeister Christian Teuthorn (*um 1600 + 1667). Das ebenfalls
während dieser Zeit nahezu konstante Kämmererpaar bildeten Johann Müldener
und Georg Steinbeiss. [1] - Zur Rotation im Stadtrat und Verschwägerung
der Ratsfamilien siehe auch „Eine
Ratsfamilie in Frankenhausen“.
Der Ehe mit Maria Landgraf entstammen weitere 7 Kinder. Johann Günter
Heydenreich, sein zweitjüngstes Kind, ist der einzige, der den Namen Heydenreich
in Frankenhausen fortführte. Alle anderen Linien starben in männlicher
Folge aus.
Johann Günther Heydenreich, *13.10.1654, +13.10.1747, war von
Beruf Goldschläger. 1706 und 1709 war er Ratskämmerer - jeweils neben
Siegmund Fischer. Im Jahr 1712 nahm er zum ersten Mal das Amt des
Bürgermeisters wahr. Leider bricht die im Archiv der Stadt Bad Frankenhausen
befindliche Zusammenstellung der Ratsmitglieder hier ab. Es ist sicher
nicht anzunehmen, dass er bis in sein biblisches Alter von 93 Jahren im
Amt war. Aber mit gewisser Sicherheit kann man doch annehmen, dass er
die Bürgermeisterfunktion mindestens bis 1725 ausgeübt haben wird.
Er war zweimal verheiratet, und zwar zunächst mit Regine Tetschel,
der Witwe des Goldschlägers Lukard. Diese war wohl eine Tochter
des Johann Georg Dezschel, der bis 1695 Bürgermeister war. Nach
dem Tod Regines ging er eine zweite Ehe mit Elisabeth Salome, der Tochter
des Bürgermeisters Volkens, ein.
Der ersten Ehe entsprangen ein Sohn, Johann David, von dem wir gleich
noch mehr hören werden, und eine Tochter, Christiane Sophie, welche den
fürstl. Schwarzburgischen Rath und Amtmann zu Königssee, Friedrich
Samuel Landgraf, heiratete. [2]
Aus der zweiten Ehe ging nur eine Tochter, Juliane Sophie Auguste, hervor,
welche durch ihre Ehe mit dem fürstl. Schwarzburg. Rath und Amtmann zu
Kelbra, Caspar Günther Lindner, jedoch die erste Brücke in diese
Stadt schlug, die für die Familie Heydenreich - wie sich zeigen wird -
bald zum Stammsitz werden soll.
Johann David Heydenreich, *2.1.1683, +1722, war Magister der
Philosophie und Pastor in Thalleben. Er brach also mit der „politischen“
Tradition der Familie. Trotzdem verschwägerte auch er sich noch einmal
mit einer Frankenhausener Bürgermeisterfamilie, indem er am 20.7.1717
die Tochter des Bürgermeisters Christoph Andreas Seuberlich, Sibylla
Catharina [3] , ehelichte.
Der Ehe entsprangen zwei Söhne, die jedoch beide nicht mehr nach Frankenhausen
zurückkehrten. Damit endet die Geschichte der Familie Heydenreich in dieser
Stadt.
Der jüngere Sohn, Johann Friedrich Heydenreich (1721-1804), hatte zwar
seinen Wohnsitz noch in Frankenhausen und starb letztendlich auch da,
wurde jedoch als Fürstlich Schwarzburgischer Reisemedicus und später
gar als Kaiserlich Österreichischer Feldarzt immer wieder in die weite
Welt verschlagen. Er ist viel herumgekommen, was es schwer macht, seinen
Spuren zu folgen. Soweit bekannt hatte er nur zwei Töchter. Helene (1752
in Cremona/Italien geboren) heiratet den Apotheker Johann Carl Landgraf
in Frankenhausen [4] , die zweite Tochter,
Louise (1756 in Ungarn geboren), starb bereits 1789 unvermählt in Bendeleben.
Der ältere Sohn Johann Samuel Heydenreich (1719-1789) wurde
Pastor in Bendeleben bei Frankenhausen und kaufte später (1777) das
Rittergut in Kelbra. Dieses Rittergut wurde in Folge der Stammsitz der
Familie Heydenreich. Es blieb im Besitz der Familie bis zum Tode des letzten
Heydenreich auf Kelbra, Adolph Friedrich Heydenreich (Urenkel des Johann
Samuel), der am 26.4.1900 unverheiratet starb.
Damit erlosch die gesamte „David Linie“ der Nachkommen des Melchior Heydenreich
im Mannesstamm.
© Danny Gutknecht, Leipzig 2005 (Mit einigen Ergänzungen zu Frankenhausen
aufbereitet von Peter Teuthorn)
Weitere Links zum Thema:
Gastautoren, Bürgermeister
und Kämmerer, Ratsfamilie
Teuthorn - Autor D. Gutknecht
[1]
Bürgermeister und Geldkämmerer von 1650-1713 - Periode immer ab Michaelis,
29. Sept. (StAFkhsn Sign. 1/IIA-455)
[2] Ernst August Wippermann: Stammtafeln der in der
Stadt Frankenhausen größtentheils schon seit längerer Zeit heimisch
gewesenen Familien Börner, Frantz, Hankel, Hornung, Hünicken, Klipsch,
Kühne, Landgraf I., Landgraf II., Leuckart, Manniske, Schall, Scheidt,
Schmelzer, Seidenbusch, Seuberlich, Spangenberg, Teuthorn, Tuch, Weinberg,
Werner., Sondershausen 1843. / Original aus Familienbesitz Wilhelm F
O Teuthorn / Tafel Landgraf I
[3] ebd. / Tafel Seuberlich
[4] ebd. / Tafel Landgraf I
Eine weitere wichtige Quelle ist:
Horst Heydenreich: „Historia Heidenreichorum; Ein Beitrag zur Geschichte
des deutschen Patriziats“; erschienen im Selbstverlag, Stuttgart 1986.
Die Personenfotos stammen vom Heydenreich-Epitaph
aus der Stadtkirche Weißensee.
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