Handwerksämter in der Stadt Kiel

Die genossenschaftlichen Berufsorganisationen der Gilden und Zünfte wurden in Norddeutschland Ämter genannt. Sie setzten die vom Magistrat gesetzte und zunehmend vom Landesherrn überwachte städtische Ordnungspolitik um. Hierzu bedurfte es einer starken Selbstverwaltung. Über die Regelung der Erwerbstätigkeit hinaus waren sie umfassende Lebensgemeinschaften, die über die Ehre ihrer Mitglieder wachten, gemeinsam feierten, Streitigkeiten schlichteten und für soziale Sicherung sorgten. [1]
Seit ältester Zeit wählten die Amtsmeister sogenannte Älterleute [2] als Vorsitzende. “In Kiel musste der Rat die Bildung von Ämtern bestätigen und ihre Satzungen, die Amtsrollen, genehmigen.“ Er ernannte die Älterleute - nach Vorschlag der Ämter - auf Lebenszeit und unterstellte die Ämter damit seiner Leitung. In den Amtsversammlungen, den wichtigen Sitzungen der Meister übte er durch 2 Ratsbeisitzer ständige Kontrolle aus.

“Die Älterleute standen dem Amt vor, Sie beriefen die Amtsversammlungen ein und leiteten sie; sie überwachten die Einstellung von Lehrlingen und begleiteten neu zugelassenen Meister auf das Rathaus, die dort das Bürgerrecht erwarben. Sie führten Gewerbeaufsicht in ihrem Amt, schlichteten Streit zwischen Kunden und Meistern und hatten dabei Strafgewalt. Gab es zwei Älterleute, wechselte die Amtsführung; der jeweils worthaltende Ältermann bewahrte die Lade des Amtes auf, in der sich Privilegien und Gelder befanden; er verwaltete die Finanzen und hob die regelmäßigen Beiträge, das Aufgeld, ein.“

Die Amtsversammlung trat in der Regel einmal jährlich im Hause eines Ältermanns zusammen. „Bei Anwesenheit der Ratsbeisitzer hießen die Versammlungen auch Morgensprachen, die dann eigenes Recht setzen konnten.“ Die Amtsversammlung ließ neue Meister zu.

“Lehrlinge mussten eheliche Geburt nachweisen und zwei Bürgen stellen, die vor den Älterleuten des Amtes den Lehrvertrag abschlossen und das Lehrgeld hinterlegten.“
Die Lehrzeit betrug im Chirurgiehandwerk in der Regel drei Jahre, in der Praxis aber wohl zwischen 2 und 6 Jahren [3] , während der die Lehrlinge im Haushalt des ausbildenden Meisters lebten [4] . Sie konnte bei sehr geschickten Lehrlingen auch verkürzt werden, wie aus Einträgen im Protokollbuch des Segeberger Barbier- und Chirurgenamtes zu ersehen ist. Danach erfolgte die feierliche Lossprechung und die Gesellen gingen sofort auf die Wanderschaft.



Kapitel 4 von Chirurgen & Barbiere (Peter Teuthorn August 2003)


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[1] Meine Darstellung der Handwerksämter in Kiel stützt sich, wenn nicht anders vermerkt, in starkem Maße auf das Kapitel „Wirtschaftsverfassung und Ämter“  von Kersten Krüger und Andreas Kühne in  Jensen, Jürgen / Wulf, Peter (Hrsg.): Geschichte der Stadt Kiel, Neumünster 1991, S. 96-99. Nur längere wörtliche Zitate sind in Anführungsstriche gesetzt.

[2] auch „Älteste“, siehe Frankenhausen

[3] In Preußen betrug die Lehrzeit für Barbiere seit 1734 drei Jahre. Quelle Bergmeier S. 11. Aus dem Protokollbuch des Segeberger Amtes geht aber hervor, dass die Lehrzeit in der Praxis dort jedoch zwischen 2 und 6 Jahren lag. Mehrere Eintragungen wie: „Der Lehrbrief wurde aber bereits nach 4 Jahren erteilt.“ -  Eine Eintragung auf 6 Jahre. Aber auch „Am ... wurde Göllner, der vom 1.9.1816 bis 1..9.1818 lernte, nachdem ihm 2 Lehrjahre geschenkt waren, ausgeschrieben.“

[4] Im Haushalt des Kieler Amtsmeisters Nicolaus Nagel lebten z.Zt. der Volkszählung von 1803 auch zwei Lehrburschen.

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