Entwurf zu

Petersdorfer Verhältnisse

Ungeordnete Gedanken über das Gemeinwesen Petersdorf auf Fehmarn anhand einer  Quelle zur Gemeindeordnung

Die Quelle
In den 'Dorfordnungen im Herzogtum Schleswig' [1]   ist Petersdorf mit drei Texten, und zwar aus 1576, 1799 und 1804 [2] vertreten. Der Zufall will es, dass der frühe erste Text eine durch den Petersdorfer Kirchspielschreiber Gotthard Teuthorn [3] Anfang des 18. Jahrhunderts gemachte und beglaubigte Abschrift eines niederdeutschen Fragments ist [4] . Gotthard Teuthorn, aus dessen Wirken in Petersdorf für mich bisher nur der Organist sichtbar war, wird hier mit der Berufsqualifikation Schreib- und Rechenmeister und der schon genannten ausgeübten Funktion des Kichspielschreibers benannt. Das Kirchspiel St. Johannis umfasste elf weitere Dörfer auf Westfehmarn. Es war eines der insgesamt vier Kirchspiele der Insel. 

Rheinheimer weist in seiner Einleitung darauf hin, dass Dorfordnungen "in erster Linie Fragen der Gemeindewirtschaft und der innergemeindlichen Organisation" behandeln und grenzt sie damit gegenüber den sogenannten Weistümern ab, die "vor allem Herrenrecht und Gerechtigkeiten" also die "unmittelbaren Beziehungen zwischen dem Grundherren und seinen Hintersassen" behandeln [5] . Einflüsse zeitlich früherer Regelungen in den Städten (Stadtrecht, Statuten) [6] haben wohl die Dorfordnungen beeinflusst [7] . Zwischen Stadt und Dorf wird in entsprechenden Ordnungen noch der Flecken (Blecken, Bleken) erwähnt. Mit diesem Begriff wurden vor allem größerere Dorfansiedelungen mit Markrtecht bezeichnet. So auch Petersdorf.

Größe der Gemeinde
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Soziale Schichtung

Die Festlegungen in dem Petersdorfer Fragment regeln im wesentlichen Fragen der sogenannten Nachbarschaft. Was oder wer war nun diese Nachbarschaft? Rheinheimer untergliedert die Bevölkerung in der räumlich geschlossenen Ansiedlung des Dorfes, also die Dorfgemeinschaft, in Vollbauern (Hufner oder Bohlsmänner), Kleinbesitzer  (Kätner), die Tagelöhner ohne Landbesitz (Insten oder Heuerlinge) und die natürlich wirtschaftlich in jeder  der jeweiligen Schichten Abhängigen, nämlich Frauen Kinder und Gesinde. [10]

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Gemeindeorgane
Die 'Petersdorfer Beliebung. Konfirmiert, den 15. Juni 1799'  liegt nur in einer Inhaltsangabe der einzelnen Artikel vor. In ihr wurden die Angelegenheiten des Fleckens Petersdorf geregelt. 'Beliebung sämmtlicher Ackerbesitzer und Insten im Flecken Petersdorf, um den Streitigkeiten, welche bisher unsere Kommüne zerrütteten, vorzubeugen.' Die ersten 5 Artikel beschreiben die Gemeindeverfassung. Ich gebe sie im Folgenden mit geringen Kürzungen wieder. [13]

[1.] Der Vorstand des Fleckens besteht aus 24 Mitgliedern; ein Mitglied muss mindestens 3 Drömtsaat auf Petersdorfer Felde besitzen.
[2.] Der Flecken ist in vier Quartiere getheilt, in jedem Quartier werden aus der Mitte desselben 6 Vorsteher durch einfache Stimmenmehrheit gewählt. Von den 24 Mitgliedern besorgen 4 als sogenannte Aelteste die laufenden Geschäfte des Fleckens und die specielle Aufsicht in den 4 Quartieren. Das Kollegium wählt sie alljährlich von neuem aus ihrer Mitte, einen von ihnen als Worthalter, einen zweiten als Rechensmann, der auch die 'Lade' in Verwahrung hat, zu welcher jedoch ein zweiter Schlüssel in den Händen des Worthalters sich befindet. [...]
[3.] Jeder der 24 erhält alljährlich 1 m zu Verzehrungskosten.
[4.] Entsteht die Frage, ob die Kommüne einen Prozess führen will, so entscheidet das Kollegium darüber, wenn 2/3 der Stimmen sich dafür aussprechen.

Diese Ordnung scheint schon seit früher Zeit bestanden zu haben. Schon in der Ordnung von 1576 ist von 'veer gekahrene Vörwesers', also vier gekürten/gewählten Verwesern die Rede, denen Verstöße gegen die Gemeindeordnung angezeigt werden sollen und die die vorgesehenen Strafen beschließen.

Aus der wohl vollständigen Inhaltsangabe von 1799 ist gut erkennbar, worin die Gemeindeangelegenheiten bestanden, nämlich im wesentlichen aus Fragen der Landwirtschaft, Wasserfragen, Ackerbau, Grenzstreitigkeiten, Wege- und Weiderechten.

Die späteren Anordnungen von 1804 sind von geringem Umfang und eigentlich nur kleine Ergänzungen zur Regelung von 1799. Hier findet sich auch ein schöner Hinweis zu offizieller Kleiderordnung und Gerichtsplatz. Die Vorsteher der Viertel sollen zu ihren Versammlungen nämlich in "Rock und Hut erscheinen" [14] , wenn aber die Versammlung "auf dem Dingstein" stattfindet, also im Freien, darf es aber nicht "so genau gehalten" werden.


Brandverhütung
In den überlieferten Artikeln der Ordnung von 1576 werden auch Vorschriften zum Brauen und Backen, vor allem aber Maßnahmen zur Brandverhütung gegeben. Um diese verstehen zu können, ist es nötig sich von unserer heutigen Wohnerfahrung freizumachen und zu versuchen, die Wohnbedingungen in den damals üblichen Häusern zu verstehen.

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Der Grund für diesen Beschreibungsversuch der Hausarchitektur war der nun folgende Artikel aus den Petersdorfer Beliebungen von 1576.

[5.] Thom vöfften. Idtt schall ock nemandt syn Füerfack mit Korne edder Stro beleggen, by Bröke des Bleckes högsten Gerechticheit. Unde schall de 2 Vacke negest der Dörnßen syn unde dichte belehmet hebben, darnevenst schall ock nemandt sinen Dörntzenböhn gantz unde gahr mit Stro beleggen, sundern 4 Vöthe von dem Vüerfake frylathen. Worde averst jemandt hierbaven thon, schall he in gelyke Straffe, wo vorgemeldet, genhamen werden. [16]

Die Gemeindeordnung sah also vor, auf den Bohlen über dem Feuerfach weder Stroh noch Korn zu lagern. Ebenso sollte die Stubendecke davon möglichst freigehalten werden. Auf jeden Fall sollte ein Abstand von 4 Fuß vom Feuerfach eingehalten werden. Außerdem war die Stube von außen gegen Funkenflug gut mit Lehm zu verputzen. Als Strafe für einen Verstoß gegen diese Regeln waren 1-3 Tonnen (1 Tonne = etwa 115 Ltr.) Bier festgesetzt Zu den Dingen, die bei der jährlichen Begehung der Feuerstätten geprüft wurden, gehörten auch die Geräte zur Feuerbekämpfung. Für jedes Haus war nämlich ein Feuerhaken, ein Ledereimer und eine lange Leiter vorgeschrieben.


Schrift und Sprache
Der thüringische Schreib- und Rechenmeister Gotthard Teuthorn war 1677 nach Petersdorf gekommen. Kraft Ausbildung und Herkommen beherrschte er in Sprache und Schrift das damalige Hochdeutsch. Gleichwohl schrieb er gegen 1700 die in Niederdeutsch verfasste mehr als 100 Jahre alte Dorfordnung wörtlich in niederdeutsch ab. Das Niederdeutsche war in amtlichen Dokumenten dem Hochdeutschen teils bereits ab 1620, überwiegend aber seit Mitte des Jahrhunderts gewichen. Sicher aber sprachen die Dorfbewohner im täglichen Umgang weiterhin ihr Niederdeutsch, versuchten aber auch bei bestimmten Gelegenheiten das nun als vornehm geltende Hochdeutsch. Der Wechsel in der Amtssprache hing auch mit der vermehrten Anstellung entsprechend ausgebildeter Personen zusammen. Der Petersdorfer Kirschspielschreiber, der auch die Orgel der Johanniskirche bespielte, war einer von ihnen.

Peter Teuthorn
im November 2007

[Aufsatzversion mit Kürzungen]


[1] Martin Rheinheimer hat sich 1998 an der Christian-Albrechts-Universität Kiel habilitiert mit:

Die Dorfordnungen im Herzogtum Schleswig, Dorf und Obrigkeit in der Frühen Neuzeit, in der Reihe Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, hrsg. von Peter Blickle und David Sabean, Band 46/1+2, Stuttgart 1999. - Die Veröffentlichung besteht aus einem Einführungs- und einem Editionsband, der eigentlichen Herausgabe der Dorfordnungen.

[2] Bei dem Text von 1804 handelt es sich lediglich um eine Ergänzung zu der 'Petersdorfer Beliebung' von 1799.

[3] Teuthorn, Peter: Der Petersdorfer Organist Gotthardt Teuthorn und seine Familie, in Familienkundliches Jahrbuch Schleswig-Holstein, Jahrgang 44 - 2005, S. 104-113.

[4] LAS Abt. 173 Nr. 221.

[5] Rheinheimer, Bd 1, S.4 und S. 284.

[6] Siehe z.B. Statuten der Stadt Frankenhausen von 1534.

[7] Rheinheimer, Bd 1, S. 284.

[8] Wikipedia, besucht 26.11.2007.

[9] Rauert, Otto: Sippenbuch der Insel Fehmarn, CD 2004.

[10] Rheinheimer, S. 14.

[11] Von Otto Brunner geprägter Begriff für die Lebenswelt der Familie in der frühen Neuzeit.

[12] Petersdorfer Maß.

[13] Rheinheimer, Bd. 2, S. 600.

[14] Rheinheimer, Bd. 2, S. 603.

[15] Renemann, Kornelia: Eine Mecklenburgische Hofanlage in 18. Jahrhundert am Beispiel der Hufe 7 in Alt Meteln, in Familienforschung in Mitteldeutschland (FFM) 46. Jg. Heft 4, 2005, S. 179-197, S. 183.

[16] Text in Rheinheimer Bd.2 (Edition), S. 599-600. Glossar: Bröke=Strafe, Bleck=Fleck, Vack=Fach, Gefach, Dörnß=Stube, Dörntzenböhn=Stubendecke.

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