Zur Einleitung
Die Geschichte Schleswig-Holsteins ist für uns Heutige wegen ihrer Verschlungenheit
und Komplexität so schwer verständlich. Sie ist vor allem durch die beiden
Herzogtümer Schleswig und Holstein und den Streit darüber bestimmt, ob sie
zu Dänemark oder Deutschland gehören. Entscheidend bleibt aber immer ihre
Zusammengehörigkeit.
Im folgenden versuche ich, Hinweise zu den politischen Gegebenheiten für
die Familien Teuthorn und Nagel zu geben. Waren sie nun Schleswiger, Holsteiner,
Deutsche oder zeitweise sogar Dänen? Wanderte W.G. Teuthorn 1835 nach Holstein
oder Dänemark aus? Als Emil Teuthorn 1890 nach Amerika auswandert, lässt
er in die Schiffsliste als Herkunftsland Holstein eintragen.
Schleswig-Holstein, eine zusammengehörige Region für
die Familie Teuthorn-Nagel
Diese Zusammengehörigkeit wird anschaulich an der Familiengeschichte der
Teuthorns erkennbar. Ich habe den Begriff der Kieler Teuthorns
eingeführt und meine damit die Nachfahren des aus Frankenhausen nach Kiel
eingewanderten Wilhelm Günther Teuthorn. Damit habe ich diese von den Frankenhäuser,
Fehmarner, Hessischen und später Chicagoer Teuthorns abgegrenzt. Allerdings
bin ich dabei der üblichen genealogischen Darstellung des Mannesstammes
gefolgt.
Dass die Mutterlinie wenigstens einen genau so großen Einfluss auf die Abstammung
hat ist unstrittig. Wilhelm Günther heiratete Louise Nagel aus Leck. Man
müsste also genau genommen von der Kiel-Lecker Teuthorn-Nagel-Familie sprechen. Leck liegt im westlichen Schleswig,
Kiel war die Hauptstadt Holsteins. Familienfeste fanden häufig in Leck statt,
so z.B. die Heirat des Sohnes aus der obigen Ehe. Für die Familie
war also Schleswig-Holstein eine regionale und kulturelle Einheit.
„Up ewig ungedeelt“
Die politischen Auseinandersetzungen um Schleswig-Holstein hatten vielfältige
Gründe, letztlich aber den „Konstruktionsfehler“, dass Schleswig ein Lehen
vom dänischen König, Holstein aber ein Lehen von Sachsen und damit indirekt
vom deutsch-römischen Kaiser war. Im Vertrag zu Ripen, dessen Abschrift
nebst der Lade, in der er aufbewahrt wurde, heute im Schloss Gottorf ausgestellt
ist, wurde am 5.3.1460 das „up ewig ungedeelt“ für Schleswig und Holstein
fest geschrieben. Im Ursprung steht hinter dieser Verkürzung die Aussage
„unde dat se bliven ewich tosamende ungedelt“ , was vom schleswig-holsteinischen
Adel als Voraussetzung ausgehandelt wurde, nach Erlöschen der Dynastie der
Schauenburger, die Regierung des dänischen Königs zu akzeptieren.
Kieler Bürger können sich ihren Landesherren nicht
aussuchen
Wie gesagt ist die Landesgeschichte für das Verständnis der Familiengeschichte
ausgesprochen wichtig. Denn Wilhelm Günther zog ja nicht einfach
im heutigen Sinne von einer Stadt in die andere, sondern er wanderte
aus dem Fürstentum Schwarzburg Rudolstadt in das damals zum dänischen Gesamtstaat
gehörende Holstein. Dabei hatte die Frage deutsch oder dänisch für den
Bürger im Großen und Ganzen untergeordnete Bedeutung.
Das Leben des Kieler Bürgers ging seinen kontinuierlichen Gang. Er konnte
sich den Landesherrn ja nicht aussuchen. Also arrangierte er sich. So hatte
er weiter seine seit Jahrhunderten gewohnte Stadtratsherrschaft mit der
wichtigen lokalen Niedriggerichtsbarkeit. Lediglich die Adresse der Obrigkeit
änderte also sich entsprechend der jeweiligen außenpolitischen Situation.
Die Barbierzunft in Kiel
Diese kann man anschaulich und konkret aus Dokumenten ablesen, wie z.B. der Gewährung des Zunftprivilegs in Form des „Amts-Briefes“ der Barbiere und Chirurgen in Kiel durch den Gottorfschen Landesherrn Friedrich III. Er erteilte dieses im Jahre 1638 als „Friedrich, Erbe zu Norwegen, Herzog zu Schleswig, Holstein Stormarn und der Dithmarschen, Graf zu Oldenburg und Delmenhorst“. In den folgenden Jahren bis 1854 lassen sich die Barbiere und Chirurgen Kiels diesen Zunftbrief ohne wesentliche Änderungen von dem jeweiligen Herrscher, also auch dem dänischen König, bestätigen [i] .
Manchmal spürte man die Folgen des Wechsels jedoch deutlicher, wie z.B. die Einführung der 3jährigen Wehrpflicht seit der Zugehörigkeit zu Preußen. Auch die wirtschaftliche Entwicklung konnte natürlich bei größeren Einschnitten ihre Richtung ändern.
1850 bis 1871 in der Darstellung Paul-Heinz Pausebacks
Es gibt keinen Sinn, an dieser Stelle eine neue Darstellung der Geschichte Schleswig-Holsteins im 19. Jahrhundert zu versuchen. Aber es geht darum, vor allem die Entwicklung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zu verstehen. Weshalb dänisch-deutsche Kriege in Schleswig-Holstein im Vorfeld der Reichsbildung von 1871? Hierfür scheint mir eine Passage aus Paul-Heinz Pausebacks Buch: Aufbruch in eine neue Welt [ii] , recht gut geeignet, die ich für die Familie hier ausnahmsweise direkt und ungekürzt zitieren möchte:
"Der Auslöser für die kriegerischen Auseinandersetzungen in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts war eine neue dänische Verfassung, die Novemberverfassung vom 13.11.1863. Entgegen dem Londoner Vertrag vom 8. Mai 1852, in dem nach dergescheiterten Loslösung der Herzogtümer von Dänemark eine Gesamtstaatsverfassung gleichberechtigter Gebiete für das dänische Königreich festgelegt worden war, sah diese Verfassung die Inkorporation des Herzogtums Schleswig in einen dänischen Nationalstaat vor, dessen südliche Grenze dann die Eider gebildet hätte.
Die Opposition gegen dieses Vorhaben bildete einmal in den Herzogtümern die deutsch gesinnte sogenannte augustenburgische "Partei" unter dem Erbprinzen Friedrich von Augustenburg, der bald auf eine zahlreiche Anhängerschaft unter den Schleswig-Holsteinern vertrauen konnte. Zudem erkannte er nach dem Tode des dänischen Königs Friedrich II. am 15. November 1863 die Erbfolge Christians IX. nicht an und sah sich selbst als rechtmäßigen Herrscher in den Herzogtümern.
Weiterhin gab die "Novemberverfassung", die der neue König Christian am 18. 11. 1863 unterzeichnete, wie Kurt Jürgensen schreibt, Bismarck den Anlass, die dänische Politik der Verletzung der geltenden Rechtslage zu bezichtigen, und so die Möglichkeit, in Schleswig-Holstein im Sinne Preußens einzugreifen und gleichzeitig die nichtdeutschen Signatarmächte der Londoner Vereinbarungen von einer Intervention abzuhalten."
Im Dezember 1863 besetzten preußische, österreichische und weitere Truppen des Deutschen Bundes das Herzogtum Holstein in einer Bundesexekution. Ein
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Ultimatum lehnte die dänische Regierung im Januar1864 ab, so dass die verbündeten preußischen und österreichischen Truppen am 1. Februar 1864 in den Landesteil Schleswig einmarschierten.
Ein Waffenstillstand und die Ausgleichsverhandlungen auf der Konferenz in London vom 20. April 1864 blieben ergebnislos. Die militärische Auseinandersetzung wurde wieder aufgenommen und endete nach der vollständigen Niederlage Dänemarks und einem weiteren Waffenstillstand im Juli mit dem Wiener Frieden vom 30. Oktober 1864. In diesem Vertrag trat Christian IX. die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an die Monarchen Preußens und Österreichs ab.
Dieses Kondominium, das am 14. August 1865 durch die Gasteiner Konvention dahingehend abgeändert wurde, dass Preußen für den Landesteil Schleswig und für den Landesteil Holstein Österreich zuständig sein sollte, bedeutete einen "Schwebezustand", der von der Bevölkerung als sehr unerquicklich empfunden wurde. Es kam zu Spannungen zwischen beiden Mächten, die daraus resultierten, dass Bismarck konsequent seine Politik verfolgte, die einen Anschluss der Herzogtümer an Preußen vorbereitete, wogegen Österreich die "Augustenburger Partei" favorisierte, die von der Sympathie der einheimischen Bevölkerung getragen wurde.
In dieser unentschiedenen Lage, die sowohl eine anhaltend schlechte Stimmung in der Bevölkerung verursachte als auch der wirtschaftlichen Entwicklung der Herzogtümer nach dem Krieg, für die stabile Verhältnisse die Voraussetzung waren, nur zum Nachteil gereichen konnte, verließen wieder vermehrt Schleswig-Holsteiner ihre Heimat Richtung Vereinig-
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te Staaten von Amerika, von wo nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges wieder eine starke Anziehungskraft ausging.
Schließlich wurde im Jahre 1866 zusammen mit der Deutschen Frage auch die Schleswig-Holsteinische Frage auf militärischem Wege durch einen Krieg zwischen Preußen und Österreich in preußischem Sinne gelöst. Noch bevor der erste Schuss in dieser Auseinandersetzung gefallen war, wurde das Herzogtum Holstein vom 7. bis 9. Juni von preußischen Truppen in Besitz genommen, ohne dass dort stationierten Österreicher den preußischen Maßnahmen Widerstand entgegensetzten.
Am 10. Juni 1866 wurde die preußische Alleinherrschaft über die Herzogtümer verkündet. Der erste Oberpräsident Schleswig-Holsteins wurde der Baron Carl von Scheel-Plessen, ein Schleswig-Holsteiner. Er war mit Bismarck seit langem freundschaftlich verbunden und hatte dessen Absicht, Schleswig-Holstein mit Preußen zusammenzuschließen, von Beginn an tatkräftig unterstützt.
Erst etwa ein halbes Jahr später, nachdem am 23. August 1866 im Prager Frieden die Rechte des österreichischen Kaisers, die dieser an den Herzogtümern Schleswig und Holstein hatte, an den preußischen König Wilhelm übergegangen waren, wurde am 24. Dezember 1866 Schleswig-Holstein durch das Gesetz über die Vereinigung der Herzogtümer mit der preußischen Monarchie ein Teil Preußens. Bis dahin hatte die Bevölkerung unter einem Ausnahmerecht gelebt. Die preußische Verfassung, deren liberale Elemente diesen negativen Eindruck hätten abmildern können, wurde in den Herzogtümern erst am 1. Oktober 1867 eingeführt, etwa neun Monate nach dem "Be-
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sitzergreifungspatent" des preußischen Königs Wilhelm vom 12. Januar 1867.
Die Schleswig-Holsteiner, die in der Mehrzahl lieber einen eigenen schleswig-holsteinischen Staat, für den sie schon 1848/51 gekämpft hatten, verwirklicht gesehen hätten, standen dem preußischen Staat mehrheitlich reserviert gegenüber und reagierten auf die Veränderungen, die der Machtwechsel mit sich gebracht hatte, mit Passivität.
Gleich die erste Maßnahme der preußischen Regierung war bei ihren neuen Untertanen am unbeliebtesten.
Es war die Allgemeine Wehrpflicht von drei Jahren, die am 15. Oktober 1866
in den Herzogtümern eingeführt worden war und alle Männer betraf, die nach
1842 geboren worden waren. Besonders
heftig wurde der ungewohnte Militärdienst auf den friesischen
Inseln abgelehnt, die bisher in Friedenszeiten vom
Dienst im Heer oder in der Flotte befreit gewesen waren, und bei
der dänisch gesinnten Bevölkerung der nördlichen Kreise, die den preußischen
Staat ohnehin ablehnte."
Soweit also das längere Originalzitat Pauseback.
Schleswig-Holsteinische Geschichte lexikalisch
Wem die Zusammenhänge auch jetzt noch nicht klar geworden sein sollten,
dem empfehle ich die m.E. sehr gute Darstellung auf der Website der Gesellschaft
für Schleswig-Holsteinische Geschichte. Unter www.geschichte.schleswig-holstein.de
kann man nach Art eines digitalen Lexikons allen Fragen auf den Grund gehen
und erhält kompetente Antworten.
Peter Teuthorn, 12. August 2002
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