New York / Einwandererplatz

 

Conrad Poppenhusen©

Von James E. Haas

Ihm zu Ehren sind Straßen benannt. In Hamburg und in College Point, einem Ort im New Yorker Stadtteil Queens. Dass die kleine auf einer Halbinsel gelegene Stadt überhaupt existiert, ist zum großen Teil ihm zu verdanken. Das Bildungsinstitut, das er dort vor 135 Jahren gründete, wurde nicht nur zu einem Denkmal New Yorks, sondern zu einem Nationaldenkmal erklärt. Während dessen besteht in Hamburg das Unternehmen fort, das er dort 1871 zusammen mit Johann Heinrich Wilhelm Maurien gründete. Wie 1871 fertigt die New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie neben anderen Dingen Kämme. Seine Person ist nahezu unbekannt, seine Leistungen großteils vergessen. Sein Name ist Conrad Poppenhusen.

Am 1. April 1818 in Hamburg geboren, wurde er durch seinen Vater Heinrich mit ersten Geschäftsgrundsätzen vertraut, aber diese Ausbildung wurde 1929 durch den Tod seines Vaters unterbrochen. Ein naher Freund der Familie und Unternehmer, Heinrich Christian Meyer, nahm Conrad unter seine Fittiche und erweiterte seine Geschäftskenntnisse. 1838 unterzeichnete der 20-jährige Poppenhusen mit Meyer einen fünfjährigen Anstellungsvertrag, der ihn ins Ausland, insbesondere nach Großbritannien brachte. Dort konnte er seine Kenntnis des Englischen verbessern, was nützlich werden sollte, als er sich in das wirblige amerikanische Geschäftsleben stürzte.

Er verlobte sich im August 1839 heimlich mit Bertha Marie Henrietta Karker und verkündete seine Heiratsabsicht 16 Monate später. Das Paar wurde im Mai 1841 getraut, und ein Jahr später war Conrad als Feuerwehrmann an der Bekämpfung des großen Hamburger Brandes beteiligt, der 100 Stunden wütete und große Teile der Stadt zerstörte. Während der viertägigen Feuersbrunst konnte er seine Kleider nicht wechseln und kaum schlafen. So steht es in einer sehr kurzen Autobiographie, die er im Alter niederschrieb.

Dreizehn Monate später, im Juni 1843, fuhr er auf einem Segler allein nach New York, wo er sich mit Meyers Sohn Adolph zusammentat und mit der Herstellung von Kämmen und Korsettstangen aus dem allmählich seltener werdenden Rohstoff Fischbein [1] begann. Die Fabrik stand am East River nahe von Brooklyn´s Wasserfront gegenüber von Lower Manhattan.

Ein Jahr später waren Bertha und ihr kleiner Sohn Adolph wieder mit Ehemann und Vater vereint. In den nächsten 2 Jahren wurden 2 Söhne geboren, 1846 Heinrich Conrad, der nach seinem verstorbenen Großvater genannt wurde, und 1847 Hermann Christian, den sie nach dem Förderer seines Vaters benannten. Eine Schwester wurde 1849 geboren und erhielt den Namen Marie. Aber schon 1848 stirbt H.C. Meyer in Hamburg und die Beziehung zwischen Adolph und Conrad verschlechtert sich soweit, dass Poppenhusen 1852 einen neuen Geschäftspartner hat, den ein bißchen geheimnisvollen Frederick Koenig, ein Hamburger Bankier, dessen Aufgabe darin besteht, neues Kapital für weitere Geschäftsausweitung zu beschaffen.

Irgendwann in dieser Vierjahresspanne kam Conrad mit Charles Goodyear zusammen, wobei ihm zwei Tatsachen klar wurden, nämlich, dass erstens die Weltversorgung mit Walknochen gefährdet war und zweitens gleichzeitig aber zuverlässiges Hartgummi für Fabrikationszwecke zur Verfügung stehen würde. Er soll Goodyear beträchtliche Geldsummen geliehen haben, damit dieser seine notwendigen zahlreichen Versuche finanzieren konnte, und dafür für eine begrenzte Zeit die alleinigen Verwertungsrechte des Vulkanisationsprozesses garaniert bekommen haben. Tatsächlich erhielt Poppenhusen 1852 als Sicherheit nicht nur das Recht, Kämme herzustellen, sondern er war auch für eine beträchtliche Zeit als Einziger im Besitz der Patente, die Charles Goodyear für seine Erfindung erworben hatte.

Von der lokalen Presse stark beachtet und gefeiert, baute Poppenhusen zwei Jahre später in College Point am Ufer der Flushing Bay nahe am East River eine große Fabrik. Sein Ziel war, im Geschäft mit Hartgummiprodukten zu expandieren. Und er war damit außerordentlich erfolgreich.

Im Jahr 1858 starb Bertha, Conrad trauerte, und die Stadt und das Geschäft wuchsen. 1859 heiratete er eine Freundin der Familie, Caroline Hütterott. Als 1860 eine Volkszählung stattfand war die Einwohnerzahl des Ortes von weniger als 100 im Jahr 1852 auf nun 2000 angewachsen, von denen die Mehrzahl bei ihm angestellt waren. Er sah es als seinen Auftrag und seine Lebensaufgabe an, den Arbeitern ein Paradies zu schaffen. Dazu befestigte er Straßen, baute Häuser, vertiefte und verbreiterte den bestehenden Wasserkanal, war Friedensrichter und machte große Schenkungen für verschiedene kirchliche und weltliche Zwecke. Als 1861 der Bürgerkrieg begann, zahlte er seinen Arbeitern, die als Soldaten in den Krieg zogen, extra Bonusse und garantierte ihnen ihren Arbeitsplatz. Er kümmerte sich um ihre Witwen und die Ausbildung ihrer Kinder. Schließlich investierte er in das Eisenbahngeschäft - und das sollte sein Ruin sein.

Als er um Caroline warb, hatte er ihr gegenüber ein Projekt erwähnt, das ihm am Herzen lag und das er vorantreiben wollte. Es wurde das Poppenhusen-Institut, mit dessen Gründung er seinen 50sten Geburtstag feierte. Die Absicht war, seinen Arbeitern kostenlose Bildung und Ausbildung zu geben. Jeder, der in dem Gebiet wohnte und ein Interesse am Lernen hatte, wurde ermutigt, sein Angebot anzunehmen. Diskriminierung jeder Art, sei es wegen Rasse oder Glauben, war verboten. Conrad machte nicht nur eine Schenkung von Land, auf dem das Gebäude entstehen sollte, sondern er gab auch ein Startkapital von $100.000.

Das Gebäude mit Mansardendach und -fenstern im charakteristischen französischen 2. Empire-Stil, wurde im Mai 1870 eröffnet. Es war mit einem Kostenaufwand von $50.000 fertiggestellt worden, was einem heutigen Gegenwert von $630.000 entspricht. Seiner Anfangsspende von $100.000 folgte eine zweite in derselben Höhe. Diese war für die Zahlung der Lehrergehälter über einen längeren Zeitraum und vorauskalkulierte längerfristigen Betriebs- und Instandhaltungskosten vorgesehen, damit das Institut seinen Auftrag der kostenlosen Bildung, auch in den kommenden Jahrhunderten leisten könne. Kaum ein Jahrhundert war vergangen als in den frühen 1970ern das Gebäude in einem verfallenen Zustand und reif für den Abbruch war. Es konnte nur durch die gemeinsamen Anstrengungen seiner derzeitigen Direktorin, Frau Susan Brustmann und anderer Interessierter gerettet werden. Dieses großartige Denkmal ist jetzt ein Kultur- und Bildungszentrum, fünf Stockwerke hoch setzt es den Auftrag fort, für den es gegründet und erbaut wurde.

Ja, warum ist dieser großartige Mann nicht bekannter und warum werden seine offensichlichen philantropischen Leistungen als Wohltäter nicht in größerem Maße anerkannt?

Anders als sein Zeitgenosse und auch Deutsch-New-Yorker, William Steinway - der ebenso eine Firmenstadt in Queens, genannt Astoria - gründete, stellte Poppenhusen Kämme her, während Steinway auf die Klavierproduktion spezalisiert war. Kämme sind nicht so romantisch und gelten am Markt nicht als Spitzenprodukt. Zusätzlich gilt aber wohl, dass Conrad entschieden an einen Tiefpunkt gelangt war, als er sich auf den Betrieb von Eisenbahnen in Long Island einließ. Es ist dies eine lange und sehr komplexe Geschichte. Aus den geschichtlichen Quellen wissen wir aber, dass er den Anfang der 70er Jahre in Europa verbrachte und den Betrieb der Eisenbahn seinen Söhnen überließ. Dadurch war er nicht wirklich im Bilde, was vor Ort geschah. Seine Söhne wurden durch zahlreiche von Conrads Freunden beraten und waren mit ihrem Vater nur über den Telegraphen in Verbindung. Das Ergebnis war, dass Conrad im November 1877 nach New York zurück kam, um Konkurs anzumelden. Das riesige Vermögen, das er während des vorangegangenen Vierteljahrhunderts angesammelt hatte, war verloren.

Conrad Poppenhusen, der Wohltäter von College Point, Stadtgründer und philantropiste extraordinaire, starb dort am 23. Dezember 1883. Seine sterblichen Reste wurden auf den nahen Flushing-Friedhof gebracht, in einer Gruft gelagert und am 7. März des nächsten Jahres per Schiff nach Deutschland überführt. Auf dem Ohlsdorfer Friedhof, dem größten Parkfriedhof Hamburgs und der Welt, fanden sie ihre letzte Ruhestätte. Caroline, die nicht wieder heiratete, starb 1903 und ist neben ihrem Mann bestattet.

Im Herbst des Jahres, das auf seinen Tod folgte, wurde in einem Park in der Nähe seines Hauses ein Denkmal für ihn errichtet. Es ist aus Granit, 12 Fuß hoch, mit einer Bronzebüste des Verstorbenen auf diesem Sockel, der die folgende Inschrift trägt:

Poppenhusen

To the Memory of the Benefactor of College Point,

November 1, 1884

Die Einwohner errichteten das Denkmal für $2,000. Es ist dort heute für alle zu sehen.


©James E. Haas,
Übersetzung Peter Teuthorn.


[1] hornartige Substanz aus den Barten der Bartenwale

(Dieser Aufsatz von James E. Haas wurde zuerst veröffentlicht in Plasticarian / Journal of the Plastics Historical Society, number 31, United Kingdom Winter 2003.)


Grabstätte & Grabplatte auf dem Ohlsdorfer Friedhof
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