Ausgewählte Literatur und Musik


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Ausgewählte HISTORISCHE LITERATUR

Alcock, Susan E. u.a. (Hrsg.): Pausanias - Travel and Memory in Roman Greece, Oxford 2001.
Ein Aufsatzband zur Periegesis des PAUSANIAS.

Aly, Götz: Hitlers Volksstaat, Frankfurt am Main 2005, durchgesehene und erweiterte Ausgabe 2006.

Für die griechische Geschichte ist besonders das Kapitel, Die Spr des Goldes, S. 274 - 308 relevant. Siehe auch Nahmias Reina Gilberta.

Braudel, Fernand
: La Méditerraneé. L'espace et l'histoire, les hommes et l'heritage, Paris 1985. Deutsche Übersetzung: Die Welt des Mittelmeeres. Zur Geschichte und Geographie kultureller Lebensformen, hrsg. von Fernand Braudel, aus dem Französischen von Markus Jacob, Frankfurt am Main 1990, 5. Auflage Okt. 2000 (Fischer TB, 189 S.)

Endlich gelesen! Dieser schmale Band - gleichzeitig ein gutes Beispiel für die Absichten der Annales-Schule - ist mit großem Vergnügen zu lesen. Für Griechenlandfans Pflichtlektüre, weil es griechische Geschichte und Kultur in den notwendigen Gesamtkontext stellt und damit Abschied nimmt von der so weit verbreiteten unkritischen "Gräkomanie".

Fürst Herrmann von Pückler-Muskau: Südöstlicher Bildersaal. Herausgegeben vom Verfasser der Briefe eines Verstorbenen. 3 Bände. 480 S.; 4 Bl., 496 S.; 2 Bl., 584 S. Mit 15 (4 kolor.) Kupfertafeln. Gr.-8°. Farbige, bedruckte Orig.-Broschuren. Stuttgart, Hallberger, 1840-1841. [Erste Ausgabe. Schilderung einer Reise von Tunis über Malta nach Griechenland in den Jahren 1835-1836. Nach einer Kreuzfahrt durch die Ägäis beendete ein mehrmonatiger Aufenthalt in Kreta die Reise.]
[Spätere Ausgaben, wie die in meinem Besitz befindliche - Fürst Hermann von Pückler-Muskau: Südöstlicher Bildersaal, Frankfurt 1981 (Societäts-Verlag) - sind gekürzt.]



Ausgewählte BELLETRISTISCHE LITERATUR

Karistiani, Joanna: Die Frauen von Andros (Mikra Angalia), aus dem Neugriechischen von Norbert Hauser, Frankfurt a. Main 2001 (Suhrkamp).

Die Schicksale der an die Insel gebundenen Seefahrerfrauen stehen im Mittelpunkt des Buches. Auf der einen Seite, der Seite der Frauen, erleben wir Verantwortung für die Familie, geduldiges Warten, Resignation und Enge, auf der anderen, der Seite der Männer, richtet sich der Blick auf die Bedeutung und den Einfluss griechischer Seeleute, Kapitäne und Reeder im globalen Schiffsverkehr. Diese Hochzeit der griechischen Handelschifffahrt auf Weltniveau endet Mitte des 20. Jahrhunderts zuerst als Folge des 2. Weltkrieges und endgültig dann mit dem Vordringen der Billigflaggen. Diese meine Beobachtung ist zwar nicht Hauptthema des Buches, sie stellt sich aber im Hintergrund der Handlung unaufdringlich ein.


Markaris, Petros: Hellas Channel - Ein Fall für Kostas Charitos (Nichterinó Deltío), Zürich 2000 (Diogenes), Originalausgabe Athen 1995.

Wenn ich keine Gelegenheit habe, Athen zu besuchen, folge ich gerne den Spuren von Kommissar Kostas Charitos und bleibe auf kurzweilge Art und Weise mit der griechischen Hauptstadt in Verbindung. Dabei erlebe ich kein nostalgisches Erinnern, sondern bin mitten im modernen Griechenland. Auch werde ich mit leichter Hand und auf spannende Weise mit Themen konfrontiert, die sich dem zeitbegrenzt Reisenden nicht so leicht erschließen.
Im Hellas Channel hat Charitos es schwer, seine Ermittlungsarbeit neben sensationslüsternen Fernsehjurnalisten solide zu erledigen. Der zu lösende Fall spielt im Albanermillieu mit dem Hintergrund von Organtransplantations-Tourismus und Adoptionsgeschäft. Mit seinem Vorgesetzten hat Kostas eine stillschweigende Vereinbarung von konstruktiver Aufgabenteilung. Und das ist erfrischend anders als z.B. das entsprechende Klisché deutscher Fernsehserien. Wenn dann der Kriminaldirektor seinem Kommissar durch geschicktes Ausbalancieren zwischen Verwaltung und Ministerien im Mikrokosmos der Athener Politik die Arbeit erleichtert, kommen doch noch eigene Erfahrungen und Erinnerungen hoch. Und mit der Gewissheit, dass lieb gewonnene (Vor-)Urteile wieder einmal bestätgt werden, stelle ich das Buch zufrieden ins Regal meiner Hellas-Literatur zurück.
Und wer ist Markaris? Für etwas mehr Hintergrund zum Autor kann ich den (derzeitigen) Wikipedia-Artikel uneingeschränkt empfehlen.

Dialogauszug S.366:
"Was soll denn aufgefallen sein?"
"Dass alle Kinder Albaner sind. Kein einziger kleiner Grieche ist darunter."
"Wenn daran etwas Auffälliges ist, Herr Kommissar, dann ist es die Tatsache, dass halb Griechenland von Albanern bevölkert ist." [1]

(PT 03/2008)


Markaris, Petros: Live! Ein Fall für Kostas Charitos, Übersetzung aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger, Zürich 2004, (Diogenes).

Die Lektüre dieses Markaris-Krimis war wieder ein großes Vergnügen und die Spannung der Art, dass ich mich zwingen musste, die 514 Seiten auf zwei Urlaubstage zu verteilen. Wie schon beim Hellas Channel ersetzt der Lesestoff eine Reise nach Athen. Da stellt sich nämlich zwischen Lykabettos, Kolonaki, Syntagma und Omonia einerseits wieder dieses Athen-Feeling ein, andererseits aber auch die Überzeugung, die Smog- und Verkehrshölle des Athener Sommers besser zu meiden.
Da Kommisar Charitos diesmal mit Einverständnis von Kriminaldirektor Gikas während eines Genesungsurlaubs verdeckt ermittelt, werden seine häuslich-familiären Verhältnisse Teil der Bühne. Auf ihr erscheinen Tochter Katerini, die in Thessaloniki Jura studiert, Schwiegersohn in spe Fanis, der Kardialoge und natürlich Frau Adriani. Ihre gefüllten Tomaten, selbstgewickelten Dolmades und Melitzanes Imam verheißen alle Köstlichkeiten der griechischen Küche, wenn sie Kriminalwachtmeisterin Koula in die überlieferten Rezepte einweiht.
Kostas Charitos ermittelt im Dreieck von Wirtschaft, Medien und Politik wieder bedächtig aber zielstrebig. Da mich ganz zum Schluss das Mordmotiv nicht so recht zu überzeugen vermochte, erreicht meine Wertung allerdings nur 4 Sterne. Trotzdem, gleich morgen kaufe ich den nächsten Markaris-Band.

PT, Juli 2008

NEU
Nahmia, Nina (Übersetzung Argyris Sfountouris): Réina Gilberta, Ein Kind im Ghetto von Thessaloniki, Berlin 2009, (Metropol
-Verlag), Originalausgabe Athen 1996 (Okeanida Verlag), Originaltitel: Reina Gilberta, Ena paidi sto Ghetto tis Thessalonikis.

Um diesem wichtigen Buch gerecht zu werden, muss man es zweimal rezensieren, einmal als Sachbuch bzw. Dokument und einmal als Literatur. Als letztere fällt es durch. Schon nach wenigen Seiten möchte man es wegen seiner gezwungenen, ja schwülstigen und kitschigen Sprache zur Seite legen. Für den deutschen Leser ist schwer zu entscheiden, aber letztlich auch egal, ob dieser Stil der Autorin oder ihrem griechisch-schweizerischen Übersetzer Argyris Sfountouris geschuldet ist.
"... das Schwanenweiß ihres freien Halses spiegelte sich im seidenen Purpur und warf ein astrales Licht auf ihr Gesicht aus Elfenbein." (S. 11). Das geht dann mit "lichterfülltem Lächeln" (S. 12), "liliengleichen Fingern", "Augenstern" und "honigsüßen Vogellauten" (S. 13) immer so weiter.

Es bleibt unverständlich, wie die Südosteuropa-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung in ihrer sonst neugierig machenden Rezension dafür den Satz fand: "Nina Nahmia hat für diese Familienskizze eine zarte, behutsame Sprache gefunden und A.S. hat sie in ein schönes Deutsch verwandelt." Dass die Zitatstellen keine Ausrutscher sind, könnte leider mit vielen weiteren Beispielen belegt werden. U.a. gerät bei der mit Hilfe eines Bauern gelingende Flucht aus dem Ghetto Thessalonikis die Beschreibung der als Verkleidung dienenden Bauerntracht zu einem Folklorebild, wie man es früher in billigen griechischen Urlaubsprospekten finden konnte. Dass man den Schrecken des Holocaust oder südamerikanische Folterkeller auch literarisch überzeugend in Spache bringen kann, haben andere Autoren bewiesen. Ich denke u.a. an Saul Friedländer (Wenn die Erinnerung kommt.) oder Ariel Dorfmann (La Muerte y la Doncella / Der Tod und das Mädchen.)

Man könnte nun fragen, warum eine angemessene Sprache bei diesem Thema so wichtig sein soll. Die Antwort ist einfach: Damit auch schwer erträgliche Schilderungen von Grausamkeiten, die unsere Vorstellungskraft eigentlich übersteigen, vom Leser nicht als übertrieben oder gar unwahr abgetan werden können.

Der Leser, der sich durch solche Hürden nicht abschrecken lässt, begegnet mit diesen Erinnerungen einer griechisch-jüdischen Familie vor dem erschreckenden Abgrund des Holocaust in Griechenland, der bisher noch wenig thematisiert wurde. Vor allem wegen dieser Einsichten lohnt sich die Lektüre trotz ihrer literarischen Schwächen.

Bis hier meine Sprachkritik. Jedoch scheinen mir Inhalt und Ausage außerordentlich wichtig.

Jahrzehntelang war Kalvrita das Synonym für deutsche Kriegsverbrechen in Griechenland. Erst spät gelangte Distimo in das Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit. Wenn auch die Massaker an der griechischen Dorfbevölkerung und die Judendeportationen nach Auschwitz auf der Schreckensskala deutscher Kriegsverbrechen in Griechenland eine unterschiedliche Qualität haben, bleibt es zunächst verwunderlich, dass das Schicksal der rund 45.000 vernichteten griechischen Juden – überwiegend aus Thessaloniki – in der griechischen Öffentlichkeit keine vergleichbare Erregung wie die mit Vergeltung für Partisanenüberfalle begründeten Morde an der griechischen Zvilbevölkerung hervorgerufen hat.

Nina Nahmias Buch berührt und entsetzt auch den mit aller Art von Brutalität und deren Darstellung vertrauten Leser. Am individuellen Schicksal der Demütigung und Zerstörung einer Familie aus Thessaloniki bewirkt der Blick in den Abgrund der Judenvernichtung erschütternde Eindrücke, die sich viel stärker und länger einprägen als die bloßen Horrorzahlen der Statistik.

Der Buchtitel verdeckt, dass die eigentliche Hauptfigur nicht das Kind Reina Gilberta, sondern ihre Mutter Edda ist. Ihr gelingt es, indem sie sich von der kleinen Reina trennt, ihr Kind zu retten. Sie selbst aber entgeht trotz zunächst gelungener Flucht aus dem Ghetto nicht dem KZ-Schicksal. Die Autorin lässt parallel zu dem Erzählstrang der Familiengeschichte einen historischen Strang laufen. In diesem wird die Geschichte der Juden Thessalonikis seit ihrer Vertreibung aus Spanien, fast 500 Jahre zuvor, bis zu den Leiden des Holocaust und ihrer Vernichtung dargestellt. Wer das so entstehende Bild vor allem um die von der aktuellen Holocaustforschung aufgezeigten politischen Dimensionen vervollständigen möchte, sei dringend auf den Griechenlandteil von Götz Alys "Volksstaat" hingewiesen. Diese 30 Seiten sollte man am besten vor der Lektüre Nahmias lesen. Sie vervollständigt den erwähnten Geschichtsstrang um wichtige Fakten.

PT August 2010


Tsemelis, Nikos: Jenseits von Epirus (Anasitissi), München 2001, Übertragung von Norbert Hauser, (Piper).

Eine Lebensgeschichte aus dem neuen Griechenland in den Jahrzehnten bis zur kleinasiatischen Katastrophe. Im Dreieck Lesbos/Mitilini, Manisia, dem alten Magnesia am Sipylos, und Smyrna entsteht ein Bild vom Lebensgefühl und Miteinander von Menschen verschiedener ethnischer Herkunft, Griechen, Osmanen und Armenier, an der kleinasiatischen Küste. Es ist die Welt des grenzüberschreitenden internationalen Handels auf der Basis der regionalen Produkte und der gemeinsamen ökonomischen Interessen der Oberschichten, bis 1921 die Folge der Politik der "Megali Idea" dieser Idylle ein Ende setzt. Dem Autor gelingt es, ein Bild der Koexistenz in der Zeitspanne bis zur Katastrophe zu zeichnen, also bevor die kriegerischen Auseinandersetzung gegen Ende der Nationalstaatsbildung von Griechenland und moderner Türkei diese friedliche Welt endgültig beenden und die unvorstellbar großen Bevölkerungsverschiebungen immenses Leid und eine Abgrenzung von Griechen und Türken bringt, die bis heute nachwirkt.

MUSIK

Mein derzeitiger Favorit ist dank Youtube dieser Aussschnitt aus Kosta Ferris Kultfilm Rembetiko.
Sehr gefühlvoll und vor mitgehendem griechischem Publikum singt Frangoulis 2001 life das berühmte 'Sto perigali ..' von Mikis Theodorakis. - Unter 'Mein Hellas' erscheinen im YouTube-Fenster weitere Lieder von Theodorakis und mit Maria Farantouri.


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[1] Ein griechischer Schriftsteller darf das so sagen! Das muss natürlich den umstrittenen Satz des deutschen Historikers Jakob Philipp Fallmerayer (1790-1861) wachrufen, der 1830 in seiner Vorrede zu seiner "Geschichte der Halbinsel Morea während des Mittelalters" geschrieben hatte: "Das Geschlecht der Hellenen ist in Europa ausgerottet [...] Denn auch nicht ein Tropfen edlen und ungemischten Hellenenblutes fließt in den Adern der christlichen Bevölkerung des heutigen Griechenlands". Generationen von vor allem griechischern Historikern mussten sich seitdem mit der Tatsache von Albaner- und Slaweneinwanderung sowie deren Einfluss auf die griechishe Nation auseinandersetzen.

29.10.2010

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